AUSSTELLUNG

„Crossing“ von Karina Kueffner


Betritt man den Innenhof der Findelgasse 7/9, erblickt man links den historistischen Altbau, rechts den Neubau aus den 60er Jahren mit seiner riesigen Fensterfassade. Diese Fusion steht beispielhaft für die wechselvolle Geschichte der WiSo. Die Fensterfassade des Neubaus ist gleichzeitig auch Schauplatz für die großflächigste Arbeit des Werkkomplexes „Crossing“ von Karina Kueffner.

Ein überdimensionales „X“-Zeichen erstreckt sich über die gesamte Fensterebene. Ihre vielen kleinen Fenster bilden dabei in ihrer Gesamtheit das „X“-Zeichen, das in seinem prägnanten Gelbton auf sich und den Ort aufmerksam macht. Somit heißt das Gebäude den eintretenden Besucher mit einem mathematisch-wirtschaftlich konnotierten Symbol willkommen. Als Multiplikator steht es für Vergrößerung oder Progression und kann gleichzeitig Fragen nach wirtschaftlichem Wachstum (oder dessen Ende) aufwerfen. Darüber hinaus markiert das Kreuz auf markante Weise die WiSo als „place to be“ und lenkt durch seine Fernwirkung die Aufmerksamkeit auf die Verortung des Hochschulgebäudes innerhalb der Nürnberger Altstadt. Das Kreuz erstrahlt in gleißendem Gelb und wirbt mit dieser Farbe, die seinen Gestus der Zentrierung und Konzentration noch unterstreicht, um Aufmerksamkeit.

Neben dieser großflächigen Arbeit stößt man im Inneren der Findelgasse auf andere, kleinformatigere Werke von Karina Kueffner. Dabei handelt es sich um bedeutende Zahlen und Nummern aus der Geschichte der WiSo, die mittels Punkten an verschiedenen Orten dargestellt werden. Die Verortung der „Zahlen“ findet im Altbau der WiSo statt und ist so angelegt, dass der Besucher zufällig auf sie trifft. Der Abstraktionsgrad der visuellen Darstellung der Zahlen schlägt zunächst eine Brücke zur grafischen Darstellbarkeit von Zahlen und Ziffern in der Wirtschaft. Überdies ebnet diese Visualisierung aber auch den Weg zu einem bewussteren Gefühl für Zeit- und Mengeneinheiten. Indem Zahlen und Fakten der WiSo auf diese abstrahierte Weise aufscheinen, gewinnt das Formale – die aneinander gereihten Punkte – neben den zu vermittelnden Informationen einen eigenen, für den Betrachter erfahrbaren ästhetischen Wert.

„Starre Trecche“ von Antonio Rastelli

Der homo oeconomicus ist eigentlich ein recht blasser Zeitgenosse. Er nimmt in einem mathematischen oder wirtschaftlichen Experiment eine bestimmte Rolle ein, handelt stets nach dem Grundsatz der Nutzenmaximierung und trägt so dazu bei am Ende eine Erkenntnis über einen wirtschaftlichen Vorgang zu erzeugen. Er wäre wohl nicht gerade der Star einer ausufernden Party.

Antonio Rastelli gibt dieser theoretischen Figur in seiner Bildhauerarbeit ein neues Gesicht. Aus weißem Gips hat er einen exakten Abguss der berühmten Statue von Lorenzo de’ Medici angefertigt.

Lorenzo Il Magnifico, Lorenzo der Prächtige, ist in vielerlei Hinsicht ein sehr interessanter homo oeconomicus: Als Stammhalter der damals wohl reichsten und mächtigsten Dynastie Europas übernimmt Lorenzo im Jahre 1469 die Bank der Familie auf dem Höhepunkt ihres Glanzes – und die Herrschaft über die Stadt Florenz gleich mit. Fortan wird der überzeugte Humanist wie niemand zuvor die Künste fördern, unter anderem Sandro Botticelli und Michelangelo, und er wird Florenz zur wichtigsten Kunstmetropole der Renaissance ausbauen. Gleichzeitig wird eine ausgeprägte Talentlosigkeit in wirtschaftlichen Fragen den Niedergang der Medici-Bank und den weitgehenden Machtverlust der Familie Medici einleiten. Doch der durch ihn erschaffene Kunstschatz wird Florenz erhalten bleiben, und ein halbes Jahrtausend später ist Florenz genau seinetwegen eines der großen Zentren des weltweiten Tourismus. Antonio Rastelli setzt Lorenzo de’ Medici einen Star-Trek-Visor auf, ein Gerät, das in der Zukunft Blinde tragen werden, um wieder sehen zu können. Denn Lorenzo war blind für die wirtschaftlichen Belange seiner Zeit – und hat zugleich dennoch weitsichtiger auf die Zukunft eingewirkt als alle seine Zeitgenossen.

„Der Schrein des ehrbaren Kaufmanns“ von Braun & Braunschweig

Wie sollen wir handeln? Was ist Recht, was Unrecht? Der Mensch als soziales Wesen trifft tagtäglich auf unterschiedliche Akteure. Wenn man danach fragt, wie man handeln soll, verbirgt sich in dieser Frage bereits der „Handel“, also das „Wirtschaften“ an sich. „Der Schrein des ehrbaren Kaufmanns“, eine Skulptur des Künstlerduos Braun & Braunschweig, führt den moralischen Kompass des Wirtschaftens deutlich vor Augen.

In der Regel finden sich Schreine in Altären oder Skulpturen und enthalten die Gebeine von Heiligen. Nicht nur in Kirchen, auch an Häuserecken, an Straßen und Wegen lassen sich kleine Schreine finden. Sie enthalten oftmals Statuen von Schutzheiligen, die mit der kulturellen und religiösen Historie ihres Ortes verbunden sind. Auch „Der Schrein des ehrbaren Kaufmanns“ steht in direktem Bezug zu seinem Ausstellungsort.

Der Schrein nimmt eine Höhe von über 2 Meter ein und wird von einem Aufsatz aus Sonne und Mond gekrönt. Hunderte kleinteilige, violette Fliesen kleiden das Äußere des Schreins aus. Die vier in den oberen Teil des Schreins eingelassenen Nischen sind dagegen schwarz gefliest. Die dunkle Monumentalität des Schreins lenkt das Augenmerk somit auf die in den Nischen befindlichen „Reliquien“ des Wirtschaftens. Vier weiße Abgüsse treten in den dunklen Nischen strahlend hervor und versinnbildlichen die zwei Dualitäten, die exemplarisch für die Wirtschaftswelt stehen. Die Gesten des Gebens und Nehmens sowie des Schwurs und des Schwurbruchs beinhalten grundsätzliche Fragen des „Handel(n)s“ untereinander: Gewinn und Verlust, Plus und Minus, Vertrag und der Bruch des Vertrags, das Versprechen und dessen Nichteinhalten.

Parametrische Figuren


Eine Kooperation des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik I mit der TH Nürnberg
Wie druckt man ein Märchen in 3D? Diese Frage, die sich vermutlich bisher recht wenige Menschen gestellt haben, trifft recht gut den Kern des Projekts, das sich seit seiner Konzeption zu einem echten Grenzgang zwischen Informatik und Design entwickelt hat. Ein halbes Jahr lang wird ein 3D-Drucker in der Langen Gasse kleine Figuren plotten, man kann ihm über eine Webcam live auf der Homepage dabei zusehen. Die Figuren sind immer von unterschiedlicher Form, mal eher gezackt wie Diagramme, mal fast ausladend wie Bäume. Die Formen entstehen nicht zufällig, aber der Prozess ist für den Betrachter trotzdem nicht entschlüsselbar, denn die Formen werden über statistische Auswertungen von Quellen völlig anderer Fachrichtungen gewonnen. Man kann beispielsweise einen Wikipedia-Artikel über die Birne auf seine Verteilung von Konsonanten und Vokalen hin analysieren und diese Verteilung in eine dreidimensionale Form übersetzen. Oder man scannt Goethes „Faust“ nach Fragezeichen ab, und die Ausschläge des Druckers richten sich daraufhin nach dem Wort „Mephisto“. Hier werden solche Prozesse mit historischen Texten der WiSo durchgeführt. So ist in diesem Projekt eine aus menschlicher Sicht an Wahnsinn grenzende künstliche Intelligenz am Werk, die Formen von Dingen zeigt, an die im Traum niemand gedacht hätte. Die kleinen Objekte werfen vielfältige Fragen auf: Was ist der eigentliche Kern von Datenströmen? Wann verlieren Daten ihren Sinn und ihre Daseinsberechtigung? Welche innewohnenden Strukturen liegen Datenströmen zugrunde?

 


Bilder aus der Werkstatt

 


Bilder von der Vernissage